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Friedbert Haberland

Diplom-Mathematiker

Ingenieurbüro für numerische Verfahren und Simulation

Hr. Haberland


Was haben Sie studiert?

Direkt nach meinem Abitur habe ich von 1965 bis 1970 an der Humboldt-Universität in Berlin Mathematik studiert.

Mein Hauptfach war die damals als eigenständiges Fachgebiet noch recht neue Mathematische Kybernetik (abgeleitet von dem griechischen Wort "kybernetes" für Steuermann, Wissenschaft von der Steuerung und (Selbst-)Regelung komplexer Systeme). Dieser heute wieder unübliche Begriff umfasste z.B. die Informationstheorie, die Automatentheorie (Theorie von Systemen, die auf gewisse Eingangssignale hin entweder genau festgelegt (determiniert) oder zufällig (nichtdeterminiert bzw. stochastisch) ihren inneren Zustand ändern und ggf. mit entsprechenden Ausgangssignalen antworten) oder auch mathematische Methoden der Zeichenerkennung. Mein Nebenfach war Analysis - Funktionentheorie.

Wieso haben Sie gerade Mathematik studiert?

In der Schule war Mathematik mein Lieblingsfach. Auch hatte ich bei den jährlich bei uns (in der DDR) stattfindenden Mathematikolympiaden einige schöne Erfolge. So war es für mich damals naheliegend, mich für Mathematik als Studienrichtung zu entscheiden. Ein klares Bild von dem, was ich dann beruflich machen würde, hatte ich aber nicht.

Wie stehen Sie zu Praktika? Haben Sie welche absolviert?

Während meines Grundstudiums drängte sich mir doch mehr und mehr der Eindruck auf, je weiter man in die Geheimnisse der Mathematik eindringt, umso weniger praktikabel und realitätsbezogen werden die Erkenntnisse. Eine fatale Fehleinschätzung, wie ich heute weiß. Aber so muss es wohl vielen anderen schon auf der Schule gegangen sein und noch gehen. Wie anders ist es möglich, dass sogar mancher Prominente öffentlich damit kokettieren kann, schlecht in Mathe gewesen zu sein, und dafür auch noch Beifall erhält.

Jedenfalls wollte ich durch die Wahl meiner Spezialisierungsrichtung sicherstellen, möglichst praxisnah zu bleiben. Geeignete Praktika wären sicher sehr nützlich gewesen, dies zu überprüfen bzw. Praxisbezüge neu zu entdecken. Bis auf wenige Ausnahmen wurde damals seitens der Industrie Mathematik nur mit Datenverarbeitung assoziiert (und ich fürchte, das hat sich bis heute nicht grundlegend geändert).

Ich habe auch, wie es der Studienplan vorsah, ein kurzes (mehrwöchiges) Praktikum im Betrieb Kernkraftwerksanlagenbau in Berlin, genauer dessen Rechenzentrum absolviert. Immerhin konnte ich dort kleine ALGOL-Programme (mehr Übungsaufgaben als produktiver Beitrag) schreiben, selbst an einer Rechenanlage stehen, den Lochkartenstapel mit dem ALGOL-Compiler einlesen und meine ebenfalls auf Lochkarten übertragenen Programme abarbeiten lassen. Ja, so war das. Aber hier habe ich auch erstmals etwas von Pseudo-Zufallszahlen erfahren.

Wie ging es nach Ihrem Studium weiter?

Nach meinem Studium hatte ich das große Glück, im Herbst 1970 eine Anstellung als wiss. Mitarbeiter im Institut für Nachrichtentechnik Berlin (INT) zu finden. Das war eine Forschungs- und Entwicklungseinrichtung für Betriebe der Nachrichten- und Messtechnik in der DDR und sie hatte eine Abteilung "Mathematische Verfahren in der drahtgebundenen Nachrichtentechnik". Für die Einarbeitung in die nun wichtigen Gebiete Bedienungs- und Verkehrstheorie waren meine Studienfächer schon etwas mehr als nur eine gute Grundlage.

Wir (also meine Kolleginnen, Kollegen und ich) hatten die Aufgabe, auf dieser Basis exakte oder approximative Verfahren zur Leistungsbewertung und Dimensionierung vermittlungstechnischer Einrichtungen (im Wesentlichen waren das Telefonvermittlungsstellen oder Teile davon) zu entwickeln und anzuwenden. Anfangs war es vielfach so, dass wir diese Aufgaben und Problemstellungen selbst gesucht haben, nicht zuletzt um unsere Existenzberechtigung nachzuweisen. Die Brückenschläge über das "interdisziplinäre Loch" (Wortschöpfung eines Kollegen) mussten oft von Seiten der Mathematiker begonnen werden.

In Anerkennung der Ergebnisse kamen dann zunehmend die Techniker: "Ihr seid doch Mathematiker, könntet ihr nicht ...". Es folgte dann eine Problembeschreibung aus Sicht und in der Sprache der Technik. Diese Sprache zu verstehen, mussten wir lernen, Abstraktion und Analyse ist mathematisches Rüstzeug.

Ich habe mich speziell mit Wartesystemen beschäftigt, die bei der Entwicklung von quasi-elektronischen und dann elektronischen (Telefon-)Vermittlungssystemen von Bedeutung waren. Mit zunehmender Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit der Rechentechnik habe ich mehr und mehr die Simulation (von Monte-Carlo- bis Prozess-) für unsere Arbeit erschlossen. Sei es, dass approximative Berechnungsverfahren in ihren "Randbereichen" zu überprüfen oder Aussagen über komplexere Systeme, die sich der analytischen Bearbeitung weitgehend entzogen, gefordert waren.

Simulation heißt ja, Modelle zu bilden, die die Eigenschaften eines realen oder gedachten Systems in Hinblick auf eine bestimmte Fragestellung (!) möglichst gut widerspiegeln. Dabei sollen so viel wie nötig und so wenig wie möglich Details eine Rolle spielen, Abstraktion also. Zumindest wenn zufällige Einflüsse im Spiel sind, bedarf es zur Auswertung der Modellexperimente der (Prozess-)Statistik. Insgesamt doch eine schöne Aufgabe für einen Mathematiker.

Die Rechentechnik, die zwar nie Gegenstand unserer Arbeit aber doch ein wichtiges Hilfsmittel war, habe ich fast von ihren Anfängen an in ihrer Entwicklung verfolgen können. Um mich jeweils ihrer zu bedienen, musste ich auch immer wieder neue Programmiersprachen lernen (ALGOL, SIMULA, PL/1, C, C++, um nur die wichtigsten zu nennen).

Das Institut (ab 1987 hieß es "VEB Zentrum für Forschung und Technologie Nachrichtenelektronik" (ZFTN), ab Mitte 1990 "Zentrum für Technik GmbH" (ZFT) und ab Oktober desselben Jahres schließlich "Entwicklungsgesellschaft für Nachrichtentechnik mbH" (EFN)) wurde 1991, also knapp 2 Jahre nach der Wende, weitestgehend abgewickelt. Mangels Alternativen habe ich dann ein Jahr später den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt.

In den seitdem vergangenen Jahren habe ich gemeinsam mit einem damaligen Kollegen etliche größere Projekte bearbeitet, die sich recht deutlich von unseren früheren Arbeiten unterschieden. Während wir früher die Problemstellung entgegengenommen, dazu geeignete Lösungsverfahren entwickelt und implementiert, die Ausgangsdaten erfragt, aufbereitet und mittels der Verfahren bearbeitet und schließlich die Ergebnisse praxisgerecht präsentiert hatten, verlangten die Auftraggeber nun aber Tools, die sie selber handhaben wollten.

Das bedeutet, so ein Tool muss eine möglichst komfortable Schnittstelle zur Übernahme der Ausgangsdaten haben, die auch prüfen kann, ob die Daten plausibel und widerspruchsfrei sind. Das eigentliche Lösungs- oder Bearbeitungsverfahren muss möglichst per Mausklick an unterschiedliche konkrete Gegebenheiten anpassbar sein und das Tool muss über den praktischen Erfordernissen entsprechende Möglichkeiten der Darstellung und/oder Präsentation der Ergebnisse verfügen.

So haben wir z.B. für die Telekom ein Tool zur Dimensionierung des nationalen Fernnetzes (Berechnung der Anzahl nötiger Fernsprechleitungen zwischen den Vermittlungsstellen) auf der Basis von Verkehrsflussmatrizen (wieviel Verkehr soll von wo nach wo) entwickelt. Ebenfalls für die Telekom entstand ein Tool zur Dimensionierung des Leitungsnetzes Ausland. Oder für die Deutsche Bahn haben wir ein Mess- und Auswertesystem für QoS-Parameter (Quality of Service) bezüglich der dort neu eingesetzten Mobilfunktechnik entwickelt. Hier mussten durch Rechner einerseits Mobilfunk- bzw. Festnetzendgeräte gesteuert werden, damit Verbindungen zwischen ihnen zustande kamen, und andererseits Störungen beim Verbindungsaufbau oder während der Verbindung erfasst werden, um letztlich über "gut" oder "schlecht" zu entscheiden (Anwendung statistischer Testmethoden).


 
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