Zur Geschichte

Die Wörter ,,cryptographia`` sowie ,,cryptologia`` werden (s. [Ba] S.23) John Wilkins (1641) zugeschrieben, einem der Gründer der Royal Society in England, das Wort ,,cryptography`` Thomas Browne (1658), einem Arzt und Schriftsteller, das Wort ,,steganographia`` dem Mönch Johannes Trithemius (1508).
Viel größere Verwendung als in der Belletristik - wie in Poe's Geschichte - fanden Kryptographie und -analyse natürlich im Rahmen der Diplomatie und der Nachrichtendienste, besonders im Kriegsfall. Bauers Buch ,,Decrypted Secrets`` [Ba] ist voll von Beispielen und bisweilen tragikomischen Geschichten. Als Abriß davon sei hier nur berichtet, daß die Benutzung von Geheimschriften bis ins Altertum zurückreicht. In der Bibel ist in Passagen eine Hebräische Geheimschrift ,,atbash`` zu finden, die auf der Umkehrung des Alphabets beruht. So wird in Jeremia 25,26 das Wort Babel verschlüsselt zu Sheshak (s. [Bi] p.325, in meiner Lutherbibel steht allerdings sesach.).

- Berühmt geworden ist die von Caesar benutzte Verschlüsselung: sie beruhte auf der Ersetzung eines jeden Buchstabens einer Nachricht durch den im Alphabet viertnächsten Buchstaben, also etwa

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-In Europa wird der Ursprung für das erneute Aufkommen von Geheimschriften in der italienischen Renaissance gesehen. Von dem italienischen Architekten L.B. Alberti wurde die sogenannte polyalphabetische Verschlüsselung, das Grundprinzip aller modernen Verschlüsselungen, erdacht. Verbreitet hat diese Methode der französische Diplomat Blaise de Vignière. Er entwarf eine Tabelle, anhand derer ein Text per Schlüsselwort verschlüsselt werden konnte. Statt eines festen Wertes, wie bei Caesar, wird der jeweilige Wert eines Buchstabens im Schlüsselwort addiert. Wäre das Schlüsselwort etwa Banane, wird der erste Buchstabe im Text um zwei Stellen im Alphabet verschoben (b=2), der nächste um einen (a=1), der dritte um 14 (=n) usw., also etwa

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Auf demselben Prinzip basiert auch die im zweiten Weltkrieg berühmt gewordene deutsche elektrische Verschlüsselungsmaschine Enigma (s. Bild 1 aus [Ba] im Anhang). Durch polyalphabetische Algorithmen wurde der verschlüsselte Text für Kryptoanalysten schwer zu entschlüsseln. Alte Verschlüsselungen konnten recht einfach durch linguistische Untersuchungen, die zum Beispiel auf die Häufigkeit der Buchstaben und Silben zurückgreifen, entschlüsselt werden. Diese Methoden entsprechen denen, die Forscher anwenden, um Sprachen des Altertums zu entziffern, so wie es etwa Champollion tat um die Hieroglyphenschrift auf dem Rosette-Stein zu entziffern. Lesenswert dazu scheint mir auch das Buch von Coe [Co] über die Entschlüsselung der Maya-Schrift (s. Bild 2 aus [Co] im Anhang). Noch unentschlüsselt ist der Text auf der Phaistos-Scheibe (s. Bild 3 aus [Ba] im Anhang).

Polyalphabetische Verschlüsselungen sind da empfindlicher. Aber auch für die Entschlüsselungen wurden Maschinen erdacht, oder es wurde bisweilen einfach das Schlüsselwort oder bei mehreren Schlüsselwörtern die Abfolge der Wörter abgefangen. So wurden die prinzipiell sehr sicheren Enigma-Verbindungen ab 1942 fast ausnahmslos abgehört. Viel mehr dazu und zu weiteren Verschlüsselungsverfahren, die etwa auf Permutationen beruhen, ist bei Bauer [Ba] zu finden.