Zur Kryptologie und ihrer Geschichte

Statt Definitionen wird hier zur Einstimmung zunächst ein konkretes Beispiel gegeben.

Die Goldkäfer-Geschichte von Edgar Allen Poe

In einer seiner Kurzgeschichten, ,,The Goldbug``, beschreibt E.A. Poe 1843 als Ich-Erzähler seine Bekanntschaft mit dem fast als Einsiedler lebenden Legrand, der allein mit seinem schwarzen Diener auf einer einsamen Insel an den Küste Neuenglands wohnt. Eines Abends berichtet Legrand dem Erzähler, der bei ihm vor dem Lagerfeuer zu Gast ist, von einem sonderlichen Fund, den er tagsüber gemacht hat: einen goldenen Käfer. Zur näheren Beschreibung malt Legrand diesen Käfer. Der Erzähler glaubt in der Zeichnung jedoch mehr einen Totenkopf als einen Käfer zu erkennen und in einem Streit über die Malkünste Legrands endet der Abend. Einige Wochen später wird der Erzähler von Legrands aufgebrachtem Diener gebeten, ihm auf die Insel zu folgen. Legrand sei wie besessen und wolle ihn unbedingt sehen. Auf der Insel angekommen überredet Legrand seinen Gast, an einer nächtlichen Wanderung teilzunehmen. Ohne Erklärung rüstet Legrand alle mit Schaufeln und Laternen aus und nimmt den Goldkäfer, an einer Schnur hängend, mit sich. Wie eine Wünschelrute läßt er diese vor sich her baumeln und weist seinen zwei Begleitern schließlich den Weg zu einem auffallenden Baum. Hier angekommen bittet er seinen Diener, auf den Baum zu klettern. Der Diener, der seinen Herren immer noch für verrückt hält, ist umso überraschter, auf dem Baum einen Totenkopf zu finden. Nun bittet Legrand seinen Diener, den Goldkäfer durch das linke Auge des Totenkopfes herabzulassen. Von diesem Punkt aus nimmt Legrand maß und bittet seine Begleiter, ihm beim Graben zu helfen. Nach Stunden ungeduldiger Suche stoßen sie schließlich auf Gebeine - und eine schwere Truhe, gefüllt mit Gold und Edelsteinen...
Als der Schatz geborgen ist, löst Legrand das Rätsel, wie er zu diesem Schatz geführt wurde: Das Pergament, auf dem er das Bild des Goldkäfers beim letzten Besuch des Erzählers gemalt hatte, hatte er am selben Tag am Strand gefunden. Erst durch den Kontakt mit der Wärme des Lagerfeuers hatten sich auf dem Papier die Umrisse eines Totenkopfes gezeigt und nach längerer Bemühung hatte Legrand noch einen Text, unterzeichnet mit einer Ziege, dem Pictogramm des berühmten Piraten Kapitän Kidd zum Erscheinen gebracht. Dieser Text bestand jedoch nur aus 203 kryptischen Zeichen.
Erst durch genaue Analyse der Häufigkeit und Struktur der Zeichen und dem schrittweisen Entschlüsseln gelang es Legrand in dem kurzen Text die Wegbeschreibung zu dem Goldschatz zu erkennen.

Und zwar sah der Text so aus:

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Legrand schloß aus der Assoziation Kidd und Ziege, daß es sich hier nicht um einen spanischen oder französischen sondern um einen englischen Text handeln müßte. Im Englischen ist das ,,e`` der häufigste Buchstabe und ,,the`` das häufigste Wort aus drei Buchstaben. Im Text kommt nun das Symbol 8 am häufigsten vor (nämlich 33 mal) und die Kombination ;48 (nämlich 7 mal). Mit Hilfe dieser und ähnlicher Schlußfolgerungen gelang Legrand schließlich die Entschlüsselung der Botschaft: ``A good glass in the Bishop's hostel in the Devil's seat - forty-one degrees and thirteen minutes - northeast and by north - main branch seventh limb east side - shoot from the left eye of the death's-head - a bee-line from the tree through the shot fifty feet out.''