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Thomas Sonar

Professor für Technomathematik an der TU Braunschweig und Abteilungsleiter der Abteilung "Partielle Differentialgleichungen" im Institut "Computational Mathematics"

Hr. Sonar


Zum Bildungsweg:

Was haben Sie wo studiert?

In den siebziger Jahren habe ich an der Fachhochschule Hannover Maschinenbau studiert, weil ich seit Kindertagen von Technik angezogen werde. Während des Studiums habe ich aber bemerkt, dass mich die Mathematik ganz besonders angezogen hat und mathematische Fragestellungen mich viel mehr interessierten, als technische. Also habe ich nach ordentlicher Beendigung des Maschinenbaustudiums ein wenig Geld verdient (durch Taxifahren, Jobben und eine kurzfristige Tätigkeit als Laboringenieur), so dass ich 1980 mit dem Studium der Mathematik an der Uni Hannover beginnen konnte. Damals war Informatik schrecklich modern und ich habe mich im Nebenfach (leider!) für Informatik entschieden und nicht für Physik. Im Jahr 1986 habe ich dann auch dieses Studium erfolgreich abgeschlossen.

Was waren Ihre Studienschwerpunkte?

Verliebt war ich immer in Numerische Mathematik und in Analysis, wohl auch weil die beiden zuständigen Hochschullehrer mich durch ihre Persönlichkeiten besonders angesprochen haben.
Daher habe ich meinen Studienschwerpunkt zwischen der Analysis und der Numerik gesucht und eine Diplomarbeit zu finiten Differenzenverfahren für nichtlineare Erhaltungsgleichungen geschrieben; das sind partielle Differentialgleichungen, die insbesondere in der Physik eine herausragende Rolle spielen.

Haben Sie Praktika gemacht und wenn ja wo? Waren diese im späteren Berufsleben hilfreich?

Ja! Vor Beginn des Maschinenbaustudiums war ein einjähriges Praktikum in einem metallverarbeitenden Betrieb vorgeschrieben, wo man Feilen, Schweißen, Löten, Nieten, Hobeln, Drehen, usw. lernen musste. Im Berufsleben habe ich das nie wieder gebraucht, weil ich nicht als Ingenieur tätig war, aber es ist eine Lebenserfahrung die ich nicht mehr missen möchte. Außerdem habe ich durch das Praktikum ganz erheblich an handwerklichem Geschick gewonnen, was man immer gut gebrauchen kann.

Waren Sie während Ihres Studiums im Ausland?

In den Zeiten meines Studiums lag ein Auslandssemester finanziell gar nicht drin. In meiner Promotionszeit bin ich durch den Einsatz eines Freundes in ein Projekt mit der Universität Oxford gerutscht, wo ein Experte für mein Gebiet arbeitete und ich habe dann ganze Teile meiner Dissertation dort geschrieben und auch einen Oxforder Doktorvater (neben meinem deutschen Doktorvater Wolfgang Wendland). Dieser Kontakt hält bis heute - ich bin anglophil und besuche Oxford, mein College, meinen alten Doktorvater und die neuen Kollegen am Oxford University Computing Laboratory noch heute etwa alle zwei Jahre.

Ein Auslandsaufenthalt ist sicher empfehlenswert, da man in jedem Fall seinen Horizont erweitert. Allerdings ist in den letzten Jahren ein "Hype" darum entstanden, so als ob man bei uns nicht anständig studieren könnte und ein Teilstudium im Ausland unbedingt dazugehören würde. Das finde ich schade, weil es falsche Zeichen gegenüber den Studierenden setzt. Im Gegensatz zu dem Bild, das die meist sehr ungebildeten Bildungspolitiker von uns geben, ist das deutsche Mathematikstudium im Ausland (noch!) außerordentlich hoch angesehen. Es gibt sehr viele Deutsche an britischen Universitäten, die vor der Bildungspolitik aus unserem Land geflohen sind und sich locker gegen die britische Konkurrenz durchsetzen können. Eben solches wird mir auch von Kollegen aus den USA berichtet.

Gingen Sie anderen Nebentätigkeiten oder Interessen nach, die sich später vielleicht als relevant/günstig für die Berufswelt erwiesen haben?

Von Kindesbeinen an habe ich mich für Ägyptologie interessiert und tue das noch heute zur Entspannung. Eines meiner Hobbys ist klassische Musik, die ich leider nicht selber machen kann, aber beim Hören habe ich (finde ich zumindest) große Fortschritte gemacht. Mit den Jahren ist mein Interesse an Philosophie beständig gewachsen und ich versuche, mit Hilfe von Freunden aus der Braunschweiger Philosophie dauernd dazuzulernen. Ob sich diese Interessen auf mein Berufsleben ausgewirkt haben oder immer noch auswirken? Wer weiß? Direkt sicher nicht, aber in nicht messbarer Weise vielleicht doch.

Den größten Einfluss auf mein Berufsleben haben sicher vier weitere "Hobbys" mit Namen Sophie-Charlotte (8), Philipp (11), Alexander (18) und Konstantin (20), unsere vier Kinder, genommen. Ich habe immer wieder bemerkt, dass man vieles ruhiger und entspannter sieht, wenn man selbst Kinder im Haus hat.

Warum haben Sie promoviert?

Nach meinen beiden Studien habe ich als Jungwissenschaftler in einer großen Forschungseinrichtung auf einer Zeitstelle begonnen. Dort saß in jedem zweiten Büro ein "Herr Dr. XYZ" und viele von denen fand ich einfach nur doof! Da ist irgendwann mein Ehrgeiz erwacht und ich habe mir gesagt: "Mensch Sonar, das kannst Du doch vielleicht auch?". Dann kam ein unglaublich nettes Angebot von der Universität Stuttgart, wo ich dann in Kontakt mit Oxford kam, wie ich oben geschildert habe.

Die Promotion hat sich außerordentlich gelohnt, und zwar zuerst in persönlicher Hinsicht. Ich durfte in dieser Zeit intensiv an Problemen arbeiten, die mich brennend interessierten und die Zeit war einfach nur schön. Ob man mit dem "Dr." mehr oder weniger Geld verdienen kann, war mir völlig egal und wäre es auch noch heute. Ich bin dankbar für die Weiterentwicklung, die ich in dieser Zeit machen konnte. Natürlich hat sich die Promotion auch für meinen jetzigen Beruf gelohnt, denn ohne Promotion hätte ich ja nie Universitätsprofessor werden können.

Berufsweg:

Was ist Ihre derzeitige Position?

Universitätsprofessor für Technomathematik an der TU Braunschweig und Abteilungsleiter der Abteilung "Partielle Differentialgleichungen" im Institut "Computational Mathematics".

Welche Stationen durchliefen Sie, d.h. was haben Sie wo wie lange gemacht?

Nach dem Mathe-Studium bin ich 1987 ans Institut für Entwurfsaerodynamik der DFVLR (heute DLR) nach Braunschweig gegangen. 1989 habe ich das Angebot angenommen, auf eine 2-Jahresstelle zur Promotion an die Universität Stuttgart in die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Wolfgang Wendland zu wechseln, was ich freudig annahm. In dieser Zeit habilitierte sich dort gerade mein Freund Gerald Warnecke, der heute Mathematikprofessor in Magdeburg ist, und der den Kontakt mit Oxford in die Wege geleitet hatte. Durch die Wiedervereinigung wurden alle unsere Verträge, die von der Volkswagenstiftung finanziert wurden, plötzlich halbiert. Nun hatte ich aber bereits Frau und (damals) zwei Kinder und so musste ich mich auf den Hosenboden setzen und habe in 15 Monaten promoviert - mit einem deutschen (Wolfgang Wendland) und einem englischen (Keith William "Bill" Morton) Doktorvater. Wieder zog es mich zur Strömungsmechanik und so wurde ich direkt im Anschluss an die Promotion (mündliche Prüfung 26.2.1991, erster Arbeitstag der Montag danach) Hausmathematiker im Institut für Strömungsmechanik der DLR in Göttingen. Dort habe ich den sogenannten " TAU-Code" (eine Abkürzung für "Triangular Adaptive Upwind") erfunden, der später von anderen weiter entwickelt wurde und heute eines der Arbeitspferde der DLR bei der Berechnung von Strömungen ist. Durch die vielen Kontakte innerhalb der Mathematik, die ich bis dahin schon hatte, wurde ich zur Habilitation ermuntert, die ich 1995 (als "Externer") an der TH Darmstadt (heute TU Darmstadt) abschloss. Meine Mentoren waren der von mir sehr vereehrte Willi Törnig, Urgestein der deutschen Numerik, der Numeriker Robert Schaback aus Göttingen und Peter Rentrop, damals Darmstadt, der auf dem Gebiet der Differentiell-Algebraischen Gleichungen arbeitete. Nach einer sehr kurzen Bewerbungsphase habe ich dann 1996 meine erste Professur angetreten, und zwar an der Universität Hamburg als Nachfolger von Herrn Ansorge. 1999 erhielt ich einen Ruf nach Braunschweig, den ich eigentlich nicht annehmen wollte. Allerdings war meine Schwiegermutter schwer erkrankt und meine Frau drängte zur Rückkehr in ihre Nähe, so dass wir tatsächlich Hamburg den Rücken kehrten und nun in Braunschweig leben. 2003 erhielt ich noch einen Ruf nach Kaiserslautern als Nachfolger von Prof. Dr. Helmut Neunzert, der Erfinder der "Technomathematik", den ich allerdings ablehnte.

Welche Kenntnisse/Fähigkeiten halten Sie für zentral und hat das Mathematikstudium sie Ihnen vermitteln können?

Es wird im Rahmen der Umstellung auf Bachelor/Master-Studiengänge immer von den "Kompetenzen" geschwafelt, die jeder Studierende erlernen soll. Dafür wird sogar ein ganz erheblicher Teil der Studienzeit veranschlagt; bei uns in Braunschweig heißt das "Professionalisierung". In meinen Augen ist die Kompetenz eines Mathematikers die Mathematik, und nichts anderes. Kurse in Rhetorik, der Gebrauch sogenannter "neuer Medien" wie Beamer und PowerPoint, Didaktikseminare usw. sind in meinen Augen völlig unsinnig und dienen dazu, auch fragwürdigen Professionen noch ein Betätigungsfeld zu eröffnen. Ich habe großartige akademische Lehrer gehabt, die kaum eine Vorlesung ohne "Hängenbleiben" gemeistert haben. Dort habe ich im Rückblick am meisten gelernt. Ich habe auch großartige akademische Lehrer gehabt, die geschliffene Vorlesungen ablieferten, so dass sie von allen Hörern gelobt wurden. Bei der Vorbereitung zur Prüfung wurde dann klar, wie wenig der tieferliegenden Mathematik diese Dozenten oft vermittelt hatten!

Schlechte Lehrer (was immer das heißt) sind noch niemals durch noch so viele Didaktikkurse besser geworden. Mitarbeiter in Firmen, die überzeugend auftreten können, aber ihr Fach nicht beherrschen, sind traurige Gestalten. Daher: Arbeitet hart, um kompetente Mathematiker zu werden! Misstraut einfach klingenden politischen Parolen von welcher Seite auch immer! Denkt mit eurem eigenen Kopf!! Solche Fähigkeiten werden in einem Mathematikstudium vermittelt und sie sind wirklich wichtig.


 
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