Programm der Herbsttagung 2004
Mathematische Gesellschaft in Hamburg
zusammen mit dem
Fachbereich Mathematik der
Universität Hamburg
Mathematik und Astronomie
15.00–15.10 Uhr |
Begrüßung und Einführung |
15.10–16.00 Uhr |
Gudrun Wolfschmidt |
16.00–16.40 Uhr |
Kaffeepause |
16.40–17.30 Uhr |
Peter Hauschildt |
17.50–18.40 Uhr |
Ulf Hashagen |
ca. 19.30 Uhr |
Nachsitzung im
Steigenberger Hotel Hamburg, Salon Süderelbe, Heiligengeistbrücke 4, 20459
Hamburg (Anmeldung bis 22. Oktober 2004 erbeten; siehe beiliegendes
Blatt). Für das Essen wird ein Unkostenbeitrag von 25 EUR pro Person
erhoben. |
9.30–10.20 Uhr |
Joachim Wambsganss |
10.40–11.30 Uhr |
Ernst-Reinhold Mewes |
11.40–12.10 Uhr |
Kaffeepause |
12.10–13.00 Uhr |
Wolfhard Schlosser |
15.00 Uhr |
Abfahrt zur Sternwarte Hamburg |
Gudrun
Wolfschmidt
Universität Hamburg
Astronomie in Hamburg –
Aktivitäten, Instrumente, Observatorien
Freitag, 5.11.2004, 15.10 Uhr, Hörsaal A / Chemie, Martin-Luther-King-Platz 6
Eine erste astronomische Tätigkeit begann in Hamburg im 17. und 18. Jahrhundert mit einigen Professoren des ,,Akademischen Gymnasiums''; ein Observatorium gab es auf dem Dach des ,,Baumhauses'' in der Nähe des Hafens. Die Hamburger Sternwarte verdankt ihre Entstehung Anfang des 19. Jahrhunderts sowohl privater Initiative als auch staatlicher Fürsorge. 1802 errichtete der Oberspritzenmeister Johann Georg Repsold (1770-1830) auf der Bastion Albertus (nun Stintfang) eine erste Sternwarte, die bis 1813 existierte. Erst nach der napoleonischen Zeit konnte Repsold wieder eine Sternwarte mit Navigationsschule beim Millerntor 1825 errichten. 1823 gründete Heinrich Christian Schumacher (1780-1850) eine weitere Sternwarte in der Palmaille 9 in Altona, das bis 1863 unter dänischer Verwaltung stand.
In einer Stadt wie Hamburg, die für Deutschland das Tor zur Welt bedeutete, hatte der Zeitdienst immer eine große Rolle gespielt. Genaue Uhren zum Zeitabgleich im Hafen waren die Voraussetzung für die Navigation, für exakte Bestimmungen der geographischen Länge. 1876 wurde im Hamburger Hafen eine Zeitball-Anlage errichtet. Diese Anlage konnte von der Sternwarte aus gesteuert werden. Bis 1934 war der Hamburger Zeitball in Verwendung.
Unter Richard Schorr (1867--1951), der mit erstaunlichem Weitblick die Weichen für eine ganz neue Ära der Hamburger Sternwarte stellte, erfolgte der Neubau der Hamburger Sternwarte in Bergedorf 1906 bis 1912. So entstand eine der größten und modernsten Sternwarten Europas, ein einzigartiges Kulturdenkmal. Die Astronomen widmeten sich nun nicht mehr der Erstellung von Sternkatalogen wie im 19. Jahrhundert, sondern der astrophysikalischen Forschung. Der geniale Optiker Bernhard Schmidt erfand in den 30er Jahren in Hamburg den ,,Schmidt Spiegel'', ein wichtiges Instrument zur Astrophotographie. Beobachtungen werden heute an internationalen Observatorien in Spanien oder Chile vorgenommen oder mit Hilfe von Satelliten im Weltall vorgenommen. Die Faszination an der Welt der Sterne, Nebel und Galaxien ist aber über die Jahrhunderte unverändert geblieben.
Peter Hauschildt
Universität Hamburg
Computersimulation von Stern- und
Planetenatmosphären
Freitag, 5.11.2004, 16.40 Uhr, Hörsaal A / Chemie, Martin-Luther-King-Platz 6
Ich werde zunächst einen Überblick über die Gleichungen und die numerischen Methoden geben, die bei der Simulation von Sternatmosphären eingesetzt werden. Dabei gehe ich insbesondere auf das Problem des Strahlungstransportes und seiner Behandlung ein. Im zweiten Teil des Vortrages werde ich eine Reihe von Ergebnissen zeigen, die verdeutlichen, was man heute machen kann und wo es noch Probleme gibt. Dabei werde ich vor allem Wert auf den Vergleich zwischen Simulationen und Beobachtungen legen.
Ulf Hashagen
Deutsches Museum München
Zum Wechselverhältnis von
Mathematik und Astronomie: Numerische Methoden und Rechenhilfsmittel im späten
19. und frühen 20. Jahrhundert
Freitag, 5.11.2004, 17.50 Uhr, Hörsaal A / Chemie, Martin-Luther-King-Platz 6
Mathematik und Astronomie haben über Jahrtausende in enger Wechselwirkung gestanden und haben sich gegenseitig in ihrer Entwicklung stark beeinflusst. Diese Wechselwirkung veränderte sich im 19. Jahrhundert wegen der disziplinären Aufspaltung und fortschreitenden Spezialisierung von Mathematik, Physik und Astronomie sowie der sich in diesem Zusammenhang entwickelnden Trennung zwischen „reiner Mathematik“ und „angewandter Mathematik“: Ein Mathematiker des späten 19. Jahrhunderts forschte – anders als noch ein Carl Friedrich Gauß – in der Regel nicht mehr in der „reinen Mathematik“ und gleichzeitig auch in ihren „Anwendungsfeldern“ Geodäsie oder Astronomie.
Im Vortrag wird das Wechselverhältnis von Mathematik und Astronomie im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert anhand der Entwicklung der numerischen Mathematik dargestellt. Numerische Methoden und Rechenhilfsmittel haben in der Astronomie immer eine zentrale Rolle gespielt und tun dies auch heute noch – so gehören z. B. Berechnungen des n-Körper-Problems in der Kosmologie/Astrophysik zu den rechenintensivsten Anwendungen des „Scientific Computing“. Der Vortrag widmet sich der Frage, welchen Veränderungen die Nutzung und Entwicklung numerischer Methoden vor dem Hintergrund der allgemeinen disziplinären Entwicklungen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts unterlagen. Dabei zeigt sich unter anderem, wie stark die Entwicklung der numerischen Mathematik durch aus der Astronomie stammende wissenschaftliche Probleme vorangetrieben wurde; weiterhin wird der Einfluss der Entwicklung neuer Rechenhilfsmittel auf die wissenschaftliche Entwicklung dargestellt.
Joachim Wambsganss
Universität Heidelberg
Die Suche nach Planeten um andere
Sterne
Samstag, 6.11.2004, 9.30 Uhr, Hörsaal A / Chemie, Martin-Luther-King-Platz 6
Vor knapp neun Jahren wurde der erste Planet um einen anderen Stern gefunden: 51 Pegasi b. Diese Entdeckung machte weltweit Schlagzeilen. Inzwischen sind mehr als 120 extrasolare Planeten bekannt. Es gibt verschiedene Such-Methoden, die Positions-, Geschwindigkeits- oder Helligkeitsänderungen messen. Weitaus die meisten dieser Planeten wurden mithilfe des Dopplereffekts entdeckt: die Absorptionslinien in den Spektren der von ihnen umkreisten Sterne ändern im Laufe eines Umlaufes periodisch ihre Wellenlänge. Die neuentdeckten extrasolaren Planeten konnten zwar bisher noch nicht direkt gesehen oder fotografiert werden, dennoch haben wir schon einen faszinierenden Einblick in die Vielfalt dieser anderen Welten erhalten. Diese Planetensysteme haben teilweise ganz unerwartete Eigenschaften: viele extrasolaren Planeten befinden sich sehr nahe am Zentralstern, andere bewegen sich auf stark elliptischen Umlaufbahnen, fast alle haben viel größere Massen als die Erde. Die meisten dieser auffälligen Parameterwerte sind jedoch „Auswahleffekte“: man findet die Planeten mit den größten Massen und den kleinsten Umlaufszeiten mit der Doppler-Methode eben am leichtesten! Eines ist aber auf alle Fälle klar: unser Sonnensystem ist nicht einzigartig!
Ernst-Reinhold Mewes
Schleswig
Zeitanzeige an astronomischen
Monumentaluhren
Samstag, 6.11.2004, 10.40 Uhr, Hörsaal A / Chemie, Martin-Luther-King-Platz 6
Dieser Vortrag handelt von den mechanischen
astronomischen Uhren im Münster von Bad Doberan aus dem Jahr 1390, in der
St.-Nikolai-Kirche zu Stralsund aus dem Jahr 1394 und im Dom zu
Münster/Westfalen, deren erste Version aus dem Jahre 1408 stammt. Diese zentral
in Kirchen aufgestellten Uhren konnten nicht Zeitanzeigeinstrumente zur
Organisation des täglichen Lebens sein. Statt dessen stellten die
astrolabischen Uhrenscheiben zusammen mit dem Kalendarium und dem Figurenumlauf
Modelle der göttlichen Weltordnung dar.
Die sehr komplexen Ziffernblätter dieser Uhren
zeigen nicht nur den Sonnenauf- und -untergang an, sondern auch die so
genannten Temporalstunden, bei denen die Zeitspanne des hellen Tages und der
Dunkelheit in jeweils zwölf gleiche Teile geteilt wird, so daß nur zu den
Äquinoktien die temporalen Tagesstunden genau so lang wie die zugehörigen
Nachtstunden sind. Zusätzlich können am Doberaner Ziffernblatt der Beginn und
das Ende der nautischen Dämmerung abgelesen werden. All diese Größen hängen von
der geografischen Breite des Uhrenstandorts und von der Stellung der Sonne im
Tierkreis ab.
Die Uhrenscheibe von Stralsund wurde mit
modernen mathematischen und technischen Hilfsmitteln berechnet und gezeichnet.
Der Vergleich dieser neu berechneten Uhrenscheibe mit dem Original zeigt das
hohe Maß an Genauigkeit, das die Uhrmacher des 14. Jahrhunderts erreicht haben.
Die Uhr von Stralsund steht seit 500 Jahren still. Durch den Einsatz
professioneller Grafiksoftware ist es möglich, der historischen Uhr aus
vergangenen Jahrhunderten „zeitraffend“ neues Leben einzuhauchen.
Glücklicherweise sind drei wichtige Zahnräder
des Uhrwerks von Stralsund aus dem 14. Jahrhundert erhalten. An ihren
Übersetzungsverhältnissen wird gezeigt, wie die Zeiger der Uhr die scheinbare
Bewegung der Sonne, des Monds und des Tierkreises auf der Uhrenscheibe
abbilden.
Der Vortrag bietet Anregungen für den
Mathematik-, Astronomie- und Informatikunterricht ab Klasse 10 (Untersekunda).
Wolfhard Schlosser
Universität Bochum
Die
Himmelsscheibe von Nebra – ein früher Blick des Menschen ins Universum
Samstag, 6.11.2004, 12.10 Uhr, Hörsaal A / Chemie, Martin-Luther-King-Platz 6
Im Jahr 2002 wurde in einer krimireifen Polizeiaktion im Baseler Hilton-Hotel ein prähistorischer Fund beschlagnahmt, zu dem neben zwei prachtvollen goldverzierten Bronzeschwertern und einigen anderen Objekten auch die Himmelsscheibe von Nebra gehört.
Diese durch ihre Patina tiefgrün gefärbte Bronzescheibe zeigt Goldfiguren, in denen jeder sofort „Sonne, Mond und Sterne“ sieht. Ihr unzweifelhafter Bezug zur Astronomie machte sie zu dem Schlüsselfund der Archäoastronomie schlechthin. Sie ist gewissermaßen die TÜV-Plakette für andere archäoastronomische Denkmale, deren astronomische Funktion bisher nur indirekt erschlossen werden konnte.
Der Referent ist mit der astronomischen Analyse dieses einmaligen Fundes beauftragt und berichtet über den gegenwärtigen Kenntnisstand zur Archäologie, Metallurgie und Astronomie der Scheibe. Obwohl die Himmelsscheibe offensichtlich heimisch ist, werden kulturelle Bezüge bis nach Griechenland in die Ägäis deutlich.
Führung durch Gelände und Ausstellungen der
Hamburger Sternwarte in Bergedorf
Samstag, 6.11.2004, 15.00 Uhr Abfahrt zur Sternwarte
Die Hamburger Sternwarte ist ein aktuelles Forschungsinstitut, das in einer wunderschönen historischen Anlage gelegen ist. Es gibt Einblicke in die astrophysikalische Grundlagenforschung und einen Rundgang durch die Teleskop- und Arbeitsgebäude des Geländes, u.a. Großer Refraktor, 1-m-Spiegelteleskop und vieles mehr. Allein schon der Besuch der historischen Bibliothek mit Werken von u.a. Tycho Brahe lohnt sich. Wenn das Wetter es erlaubt, wird es auch möglich sein, selbst den Himmel zu beobachten. Führungen durch die Ausstellungen „Weltbild im Wandel“, die den Weg vom Copernicanischen Weltbild zur modernen Kosmologie beschreibt, und die Ausstellung zu Bernhard Schmidt sind vorgesehen.
Es ist geplant, direkt per Bus vom Geomatikum zur Sternwarte zu fahren. Um Anmeldung bis 22. Oktober 2004 wird gebeten.