Prof. Dr. Ulrich Eckhardt
Universität Hamburg
Leben,
Universum und Fixpunkte von Selektoroperatoren
Freitag, 7. Mai 2004, 17 Uhr c.t. in Hörsaal 6 des Geomatikums
Anfang der siebziger Jahre publizierte M. Gardner das von J. H. Conway
erfundene Computerspiel „Life“. Dieses Spiel trat einen Siegeszug ohnegleichen
an in allen Firmen und Institutionen, die über Computer verfügten. Die Theorie
des Spiels faszinierte Mathematiker, und für die Computerwissenschaftler
stellte es ein einfaches Modell eines „zellulären Automaten“ dar.
Der intellektuelle Reiz des Spiels besteht darin, daß es auf sehr
einfachen nichtlinearen Operationen beruht, für die es jedoch keine allgemeine
und umfassende Theorie gibt. Das heißt, daß das Spiel immer wieder unerwartete
Resultate liefert, man kann sogar zeigen, daß gewisse Fragen über den
Spielverlauf nicht beantwortbar sind. Man weiß inzwischen, daß das Spiel in
einem gewissen Sinne universell ist, das heißt, man kann durch geeignete
Ausgangskonfigurationen eine allgemeine Turing-Maschine modellieren. Einige phantasiebegabte,
jedoch durchaus seriöse Autoren verstiegen sich sogar zu der bizarren Theorie,
daß das ganze Universum entweder eine gigantische Partie „Life“ darstelle oder
doch zumindest als solche modellierbar sei.
Grundlage dieses Spiels ist eine in der Praxis weitverbreitete und seit
etwa zwanzig Jahren in der Nachrichtentechnik hochaktuelle Klasse von
Operatoren, die sogenannten Selektor- oder Rangordnungsoperatoren, die auf
einfachen Zähl- und Schwellwertoperationen beruhen. Eine besondere Rolle für das
Verständnis solcher Operatoren spielen deren Fixelemente. Während die
Verh„ltnisse in Eindimensionalen einfach und klar sind und man eine
vollständige Charakterisierung dieser Fixelemente kennt, ist die Situation in
höheren Dimensionen verwirrend: S. G. Tyan schlug im Jahre 1981 einen einfachen
Konstruktionsprozeß für Fixelemente vor. Im Jahre 1989 veröffentlichte H.-U.
Döhler einen Beweis für die Korrektheit dieses Konstruktionsprozesses. Ein
Gegenbeispiel wurde 2003 publiziert.
Es wird dargestellt, wie man unter Zuhilfenahme von scheinbar weit voneinander entfernten Teilgebieten der Mathematik (diskrete Geometrie, allgemeine Topologien) ein wenig Licht in diese verworrene Angelegenheit bringen kann. Überraschend ist dabei, daß – wie beim Spiel „Life“ – am Schluß sich alles als höchst einfach herausstellt – jedenfalls alles das, was man beweisen kann