Hinweise zu Prüfungen
Dies hier sind keine Patentrezepte, die man nur befolgen muss, um
erfolgreich in Prüfungen abzuschneiden, aber es sind ein paar
Dinge, die ich für wichtig halte.
- Es gibt nichts Überflüssiges: Auch wenn es Ihnen
vielleicht nicht so vorkommt, aber die Zeit in einer Vorlesung ist
knapp, und daher kommen nur die wirklich grundlegenden Dinge
vor. Lassen Sie beim Lernen für eine Prüfung kein Gebiet
aus. Wenn Sie so pokern, kann es Ihnen passieren, dass Sie zum
Beispiel eine ganz einfache Aufgabe zum Quotientenvektorraum nicht
bearbeiten können, weil Sie sich das Konzept gar nicht richtig
angeschaut haben, und dagegen scheitern Sie dann bei einer
Aufgabe zum Lösen linearer Gleichungssysteme, weil Sie sich
gründlich verrechnen. Wenn Sie für eine mündliche
Prüfung lernen, dann glauben Sie doch nicht im Ernst, dass wir
nicht merken, wenn Sie nur den Stoff der ersten Vorlesungswochen
beherrschen, aber danach gähnende Leere vorherrscht.
- Lernen Sie nichts nur auswendig: Es bringt einfach nichts,
jedenfalls nicht, wenn Sie Mathematik lernen möchten. Wenn
Sie sich etwas durch pures Auswendiglernen merken, dann
vergessen Sie das sofort wieder; zudem sind Sie dann unflexibel
und nicht fähig zu Transferleistungen. Versuchen Sie
stattdessen zu verstehen, warum man etwas in einer Definition so
nennt, wie Sie das gelernt haben, was passiert, wenn man bei
einem Satz eine Voraussetzung wegläßt, und wie man
Beweise aufzieht. Versuchen Sie dazu, alternative Beweise zu
finden, und machen Sie sich Sätze an Beispielen klar. Wenn
Sie sich einige Begriffe oder Konzepte partout
nicht merken können, dann sorgen Sie dafür, dass Sie
ein typisches Beispiel im Kopf haben. Falls Sie sich beispielsweise
die Dimensionsformel nicht merken können, sondern
immer vergessen, ob es dabei um die Dimension des Ziels oder
der Quelle geht, dann leiten Sie sich die Aussage wieder her,
indem Sie zum Beispiel eine Inklusions- oder
Projektionsabbildung betrachten; dann können Sie nichts
mehr falsch machen.
- Bauen Sie innere Widerstände ab: Sie machen sich
selbst das Leben schwer, wenn Sie sich einreden, dass Sie irgendein
Konzept sicherlich nie wieder im Leben brauchen werden. Wenn Sie
sich das vormachen, dann werden Sie sich nur widerwillig mit dem
zugehörigen Stoff beschäftigen. Außerdem ist diese
Ansicht einfach falsch: Wenn Sie Mathematik studieren, brauchen Sie
sowieso alles und noch viel mehr. Sie sollten sich zusätzlich
zu den Veranstaltungen so
viel wie möglich mit Mathematik auseinandersetzen. Machen
Sie Wirtschafts- oder
Technomathematik, dann werden Sie staunen, wie viele der angeblich
so abstrakten Dinge in Anwendungen benötigt
werden. Was Sie dann später konkret brauchen, hängt von
Ihrer Spezialisierung ab, aber Sie wollen sich ja nicht
mögliche Optionen durch Lücken in Ihrer Grundausbildung
verbauen. Möchten Sie später an die Schule und studieren Sie
auf Lehramt, dann
möchten Sie nicht als jemand enden, der ohne ein
Lösungsbuch nichts zustande bringt. Die Mathematik, die Sie an
der Uni lernen, ist zwar anders als die Schulmathematik, aber sie
erlaubt Ihnen, die Schulmathematik von einer Vogelperspektive zu
betrachten (wenn Sie sich denn darauf einlassen). Wollen Sie
wirklich Fragen von SchülerInnen nicht beantworten können?
Wollen Sie kapitulieren, wenn sich die Lehrpläne (mal wieder)
ändern, und Sie auf einmal Dinge unterrichten sollen, die Sie
selbst nie gelernt haben? Wollen Sie für sich
ausschließen, in ein anderes Bundesland zu ziehen, nur aus
Angst, dass Sie den Schulstoff dort dann nicht beherrschen? Falls
Ihre SchülerInnen ein Projekt machen wollen, möchten Sie
dann dastehen und das abwürgen, nur weil Sie nicht wissen, wie
Sie sich selbst die nötige Mathematik für das Projekt
erarbeiten sollen? Die
Unimathematik soll Sie dazu befähigen, Mathematik souverän
zu beherrschen, um im Schulalltag flexibel auf Anforderungen
reagieren zu können.
- Seien Sie präzise: Wir machen Mathematik und wandern
dabei immer haarscharf an einem Abgrund vorbei. Wenn Sie sich
Sätze nur so ungefähr merken, dann machen Sie
Fehler. Gewöhnen Sie sich an, auch im Alltag Dinge so
präzise wie möglich zu formulieren und üben Sie das
exakte Sprechen über Mathematik in den Übungen,
Tutorien und Lernwerkstätten. Wenn Sie sich einen
wichtigen Satz merken wollen, dann merken Sie sich auch Beispiele,
die verdeutlichen, was schief geht, wenn man eine Voraussetzung
vergißt. So kleine unschuldige Phrasen
wie endlich-dimensional, wegzusammenhängend, zweimal
stetig differenzierbar etc sind entscheidend.
- Lernen Sie nicht in Schubladen: Nichts in der Mathematik
ist isoliert. Es gibt vielfältige Verbindungen zwischen
einzelnen Fächern. Versuchen Sie, so viele zu entdecken, wie
möglich. Das hilft Ihnen, Konzepte und Resultate einzuordnen,
und sich damit ein Netz zu weben. Achten Sie auch auf Verbindungen
innerhalb eines Faches. Etliche Begriffe tauchen in mehreren Rollen
auf. Ein Extrembeispiel dafür sind Matrizen (als
Koeffizientenmatrizen linearer Gleichungssysteme, als
darstellende Matrizen linearer Abbildungen, als Elemente von
Matrizengruppen, als Elemente des Vektorraums aller Matrizen, als
Matrizen zu bilinearen Abbildunge etc.). Strukturieren Sie sich den
Stoff anhand wiederkehrender Phänomene und jonglieren Sie mit
mathematischen Objekten, indem Sie sie in verschiedenen Rollen
wahrnehmen.
- Lernen Sie nicht auf den letzten Drücker: In einer
Vorlesung über 14 oder gar 28 Wochen kommt viel vor. Das ist viel zu
viel, um es in einem Kraftakt in einer Woche zu lernen. Bleiben Sie
während der Vorlesungszeit schon am Ball und arbeiten Sie den
Stoff nach, indem Sie die Aufgaben bearbeiten. Seien Sie ehrlich zu
sich selbst, und machen Sie sich klar, was Sie noch nicht
verstanden haben. Nutzen Sie die Übungsgruppen, Tutorien und Lernwerkstätten, um
Verständnislücken zu schließen, und haben Sie keine
Angst, vermeintlich dumme Fragen zu stellen.
Es gibt mehrere Ebenen des Verstehens. Um
wirklich flexibel mit Mathematik umgehen zu können,
müssen Sie über das pure formelmäßige
Hantieren mit Mathematik hinauskommen. Schauen Sie sich daher
regelmäßig vermeintlich alten Stoff an. Vieles wird
einfacher, wenn Sie es mit einigem zeitlichen Abstand ansehen: wir
haben Konzepte dann mehrfach benutzt, Sie haben Aufgaben zum Thema
bearbeitet und Sie haben erlebt, wie man den Stoff weiterentwickelt
hat. Das hilft, aber dazu brauchen Sie Zeit und einen langen
Atem.
- Stellen Sie sicher, dass Sie den Stoff aktiv beherrschen:
Wenn Sie für Prüfungen wiederholen, dann passiert es
leicht, dass Sie selbst
gelangweilt werden von dem, was Sie sich ansehen. Aber das
heißt nicht, dass Sie den Stoff auch wirklich aktiv
beherrschen. Könnten Sie einen Beweis
angeben, ohne in Ihre Aufzeichnungen zu sehen? Können Sie
Aufgaben flexibel lösen, oder haben Sie nur Kochrezepte parat,
mit denen Sie scheitern, sobald wir die Fragen etwas variieren?
Nehmen Sie es als sportliche Herausforderung. Stellen Sie sich
selbst Prüfungsfragen und versuchen Sie, diese aus sich heraus
zu beantworten.
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