Programm der Herbsttagung 2000

Mathematische Gesellschaft in Hamburg
zusammen mit dem
Fachbereich Mathematik der Universität Hamburg



Mathematik als Kulturgut und kulturelle Kraft

Das Jahr 2000: Jahr der Mathematik unter der Schirmherrschaft der UNESCO



Freitag, 10. November 2000, Hörsaal 1 (Geomatikum)


15.15 - 15.30 Uhr Begrüßung und Einführung

15.30 - 16.15 Uhr Walter Benz (Hamburg)
Perlen in der Mathematik

16.30 – 17.00 Uhr Kaffeepause

17.00 – 17.45 Uhr Gerhard Tischel (Hamburg)
Gedanken zur Aufgabe des Mathematikunterrichts im Wandel der Zeiten

18.00 – 18.45 Uhr Karl Peter Hadeler (Tübingen)
Sand, Kies und Dünen – mathematische Modelle für granulare Medien

ca. 19.30 Uhr Nachsitzung im Hotel „Hafen Hamburg“,
(Anmeldung erforderlich)
Für das Essen wird ein Kostenbeitrag von DM 40,- pro Person erhoben.



Sonnabend, 11. November 2000, Hörsaal 1 (Geomatikum)


9.30 – 10.15 Uhr Knut Radbruch (Kaiserslautern)
Literarische Pfade in die Kulturphilosophie der Mathematik

10.30 – 11.15 Uhr Hanfried Lenz (Berlin)
Eine Plauderei über Schönheit und Wahrheit in der Mathematik

11.30 – 12.00 Uhr Kaffeepause

12.00 – 12.45 Uhr Albrecht Beutelspacher
Der Goldene Schnitt in Mathematik, Natur und Kunst


Zusammenfassung der Vorträge


Walter Benz

Universität Hamburg


Perlen in der Mathematik


Es soll die Fülle des vorhandenen Materials durch Nennung mehrerer Einzelbeispiele wie Unvollständigkeitssatz von Gödel, Gelfond-Schneiderscher Transzendenzsatz, Klassifikation der endlichen einfachen Gruppen beleuchtet werden. Darüber hinaus wird das Problem der Wiedersehensflächen von Blaschke dargestellt, das Färbungsproblem auf Mannigfaltikeiten, das A.D. Alexandrovsche Problem metrischer Räume.


Albrecht Beutelspacher

Universität Gießen


Der Goldene Schnitt in Mathematik, Natur und Kunst


Der Goldene Schnitt spielt eine wichtige Rolle in der Mathematik (v.a. in der Geometrie, Algebra, Kombinatorik), aber auch in der Natur. Dies liegt an dem engen Zusammenhang zwischen dem Goldenen Schnitt und den Fibonacci-Zahlen. Viele Forscher haben den Goldenen Schnitt auch in Kunstwerken gesucht und gefunden. Der Vortrag wird einen Eindruck vom Reichtum der Erscheinungsformen des Goldenen Schnitts in den angesprochenen Bereichen geben.


K.P. Hadeler

Universität Tübingen


Sand, Kies und Dünen - mathematische Modelle für granulare Medien


Granulare Medien – Sand, Kies, Geröll – treten in der Natur in vielfältigen Formen auf und als Schüttgüter spielen sie in der Industrie eine große Rolle. Im Vergleich mit Festkörpern, Flüssigkeiten oder Gasen sind granulare Medien erst spät Gegenstand der Experimentalphysik geworden, und eine Theorie granularer Medien entwickelt sich erst seit einigen Jahrzehnten. Ein Modell für das langsame Aufschütten geht davon aus, daß der größere Teil des Materials als Standschicht ruht und ein kleinerer Teil sich als Rollschicht bewegt. Abhängig von der Neigung der Standschicht findet zwischen diesen Schichten Austausch statt. Die Überlegungen führen auf Modelle in Form von partiellen Differentialgleichungen, die mit der sogenannten Eikonalgleichung der geometrischen Optik verwandt sind. Mit diesen Gleichungen und ihren Lösungen kann die Geometrie von Schüttguthalden und Silofüllungen beschrieben werden.

Weiter wird ein Ausblick gegeben auf die dynamische Trennung von granularen Medien (Segregation, Schichtenbildung) sowie auf die Formen von Dünen.


Hanfried Lenz

Freie Universität Berlin


Eine Plauderei über Schönheit und Wahrheit in der Mathematik


Es handelt sich um subjektive Eindrücke und Empfindungen, nicht um allgemeingültige Aussagen. Zuerst will ich Beispiele von mathematischen Ergebnissen oder auch Beweisen angeben, die ich teils seit meiner Jugendzeit, teils erst neuerdings als schön empfinde, insbesondere aus Arithmetik und Geometrie. Es gibt aber auch häßliche mathematische Definitionen und Aussagen, sowie schöne Ergebnisse mit bis heute unschönen Beweisen, z.B. solchen, die ohne Computerhilfe nicht zu schaffen sind. Ist alles, was mathematisch schön erscheint, auch wahr? Gibt es vielleicht verschiedene Grade der Wahrheit? Schon die uns selbstverständlich erscheinende Existenz der unendlichen Zahlenreihe Í strapaziert unser Vorstellungsvermögen, sobald wir nach großen Zahlen fragen. Was bedeutet Existenz? Solche Fragen möchte ich zur Diskussion stellen, meist ohne sie eindeutig beantworten zu können.


Knut Radbruch

Universität Kaiserslautern


Literarische Pfade in die Kulturphilosophie der Mathematik


Die Kulturphilosophie der Mathematik fragt nach der Bedeutung von Mathematik im gesamtkulturellen Kontext, sie analysiert den Begründungszusammenhang zwischen Mathematik als einer speziellen Kulturleistung und anderen Bausteinen des Kulturgefüges.

Literarische Texte sind ideale Weg-Bereiter oder Pfad-Finder in eine derartige Kulturphilosophie der Mathematik. Denn die Literatur reagiert wie ein höchst sensibler Seismograph auf allgemeinkulturelle Probleme, Konstellationen und Tendenzen. Aus den literarischen Pfaden in die Kulturphilosophie der Mathematik kann man deshalb Einsichten „herauslesen“ über zeittypische Einstellungen zur Mathematik, über verschiedene Weisen des Umgangs mit Mathematik und über den Stellenwert der Mathematik im Bildungs- und Ausbildungssystem. Durch einen Verbund unterschiedlicher Betrachtungsweisen gelingt so eine philosophische Ortsbestimmung der Mathematik innerhalb der Kultur.

Im Vortrag werden Beispiele aus verschiedenen kulturgeschichtlichen Epochen und literarischen Gattungen geschildert und gedeutet.


Gerhard Tischel

Hamburg


Gedanken zur Aufgabe des Mathematikunterrichtes im Wandel der Zeiten


Der Mathematikunterricht (MU) wird seit vielen Jahren kritisch diskutiert. Dabei sind sowohl schwache Schülerleistungen als auch die inhaltliche Bedeutungslosigkeit des MU Zielscheibe der Kritik. Die für Deutschland negativen Ergebnisse von TIMMS haben bewirkt, daß einige Maßnahmen eingeleitet worden sind, die den MU „verbessern“ sollen.

Der Vortrag setzt sich mit den Zielen und den „Erfolgen“ des MU an den höheren Schulen auseinander.

Anhand von Beispielen wird versucht, die Aufgabe des MU zu problematisieren und zu konkretisieren.



Dr. Hubert Kiechle -- Oktober 2000