Die Mathematische Gesellschaft in Hamburg lädt zu folgendem Vortrag ein:

 

 

Prof. Dr. Dr. hc. Peter Roquette

Universität Heidelberg

Ehrenmitglied der Mathematischen Gesellschaft

 

Die Grunwald-Wang Story

 

am Freitag, den 6. Dezember 2002, 17 Uhr c.t. in Hörsaal 6 des Geomatikums

 

 

Wann darf ein mathematischer Satz als bewiesen gelten? Die folgende Story regt zum Nachdenken über diese Frage an.

 

Im Jahre 1931 gelang es Brauer, Hasse und Noether in einer gemeinsamen Arbeit zu zeigen, dass jede Divisionsalgebra über einem Zahlkörper zyklisch ist. Ein wichtiges Stück in dem Beweis war ein gewisser Existenzsatz für zyklische Körpererweiterungen von Zahlkörpern, dessen Beweis jedoch nicht ausgeführt wurde. Eine verschärfte Form dieses Existenzsatzes wurde dann 1933 von Grunwald, einem Doktoranden von Hasse, publiziert. Aus dem Briefwechsel Artin – Hasse ist zu entnehmen, dass sich Artin für das Ergebnis von Brauer-Hasse-Noether sehr interessierte. Im Jahre 1948, dem ersten Jahr von Artin in Princeton, hielt er ein Seminar über dieses Thema ab. Dabei wurde von Whaples, einem Schüler von Artin, ein vereinfachter Beweis des Grunwaldschen Existenzsatzes vorgetragen. Einer der Seminarteilnehmer, nämlich Wang, entdeckte jedoch, dass sowohl in dem Beweis von Grunwald als auch in dem von Whaples ein Fehler steckte. Er lieferte eine korrekte Form des Grunwaldschen Satzes. Glücklicherweise genügte diese für die Anwendung auf den Satz von Brauer-Hasse-Noether.

 

Ein anderer Teilnehmer des Seminars war John Tate. In den berühmten Lecture Notes von Artin-Tate über Klassenkörpertheorie aus dem Jahre 1950 wird ein ganzes Kapitel dem Satz von Grunwald-Wang gewidmet. Der dortige Beweis ist korrekt, aber bei den dargestellten Anwendungen haben sich wiederum Inkorrektheiten herausgestellt, die inzwischen zu fehlerhaften Ergebnissen führten, von Autoren, die sich auf Artin-Tate verlassen hatten.

 

In meinem Vortrag werde ich anhand von Briefen und anderen Dokumenten über die Geschichte des Satzes von Grundwald-Wang berichten. Es werden biographische Daten über Grunwald und Wang vorgestellt (letztere habe ich erst kürzlich in Peking erfahren können).