Dr. Philip Beeley

Universität Münster

Was können wir von einer Briefedition lernen?
Zur Bedeutung der Korrespondenz von John Wallis für das Verständnis
 der mathematischen Entwicklung des 17. Jahrhunderts.

 

Freitag, 18. Juni 2004, 17 Uhr c.t. in H6 des Geomatikums

 

 

John Wallis (1616-1703) war Saville-Professor für Geometrie an der Universität Oxford von 1649 bis zu seinem Tode. Er gilt zugleich als einer der führenden Mathematiker seiner Zeit. Die auf sechs Bände angelegte und am SPGN des Fachbereichs Mathematik der Universität Hamburg in Arbeit befindliche Edition seiner Korrespondenz will eine bedeutende Lücke in der Wissenschafts-geschichte des 17. Jahrhunderts schließen. Doch worin besteht der eigentliche Wert einer solchen Briefedition? Dieses Thema ist auch mit Blick auf die Vergabepraxis bei Fördergeldern in den letzten Jahren zunehmend in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt. Unter Heranziehung des Beispiels des Prioritätsstreits zwischen den Engländern Neile bzw. Wallis und den Niederländern Heuraet bzw. Huygens in der Frage der Rektifikation einer beliebigen Kurve sowie des Streits zwischen Wallis und dem Franzosen Roberval in der Frage der Rektifikation einer Parabel will der Vortrag zeigen, wie wichtig ein Briefwechsel aus heutiger Sicht für die Rekonstruktion geschichtlicher Abläufe sein kann. Korrespondenz spielte damals eine ganz andere Rolle als heute bei der Verbreitung von wissenschaftlichen Neuigkeiten, hatten Briefe doch oft einen eher öffentlichen Charakter. Im Vortrag wird ein besonderes Augenmerk auf den oft fragwürdigen Umgang gerichtet, den Mathematiker wie Wallis, William Brouncker und Christiaan Huygens mit ihren Ergebnissen bzw. den Ergebnissen von Dritten zu einem Zeitpunkt pflegten, als Offenheit der Wissenschaft generell als Weg in eine bessere Zukunft propagiert wurde.