Lineare Algebra 2016-17
Reinhard Diestel
Inhalt:
Die Vorlesung "Lineare Algebra und Analytische Geometrie", kurz LA,
ist eine der zwei großen Pflicht-Grundvorlesungen für Studenten der
Mathematik in den ersten beiden Semestern; die andere ist die
"Analysis". In diesen beiden Vorlesungen lernen Sie alle Grundlagen,
auf denen spätere Vorlesungen aufbauen werden: besonders, aber nicht
nur, aus den im Vorlesungstitel angegebenen Themenbereichen.
Lernziel:
Grundverständnis mathematischer Begriffe und Methoden, insbesondere
der LA.
Was Mathematik wesentlich ausmacht – was etwa einen wirklichen
Beweis von einem Plausibilitätsbeispielgemurmel unterscheidet, oder
was eine gute Definition ist – lernt man nicht dadurch, dass es
einem einmal gesagt wird, sondern dadurch, dass es einem anhand
echter Mathematik hundertmal beispielhaft vorgemacht wird.
Vorgehen:
Ich habe vor, in der Stine-Rubrik "Material" für alle Inhalte der
Vorlesung schriftliches Material zu hinterlegen, anhand dessen Sie
den Stoff zuhause nacharbeiten können. Deshalb müssen Sie in der
Vorlesung selbst bei mir nicht alles mitschreiben. Hören Sie lieber
aufmerksam zu: ich werde neben dem Stoff viel "drumrum" erzählen,
was für Ihre Mathematikausbildung unersetzlich ist aber nicht in
gedruckter Form nachlesbar vorliegt.
Beispiel: Sie sollen lernen, selbst Beweise zu führen. Im
schriftlich vorliegenden Material werden Sie viele ausführliche
Beweise finden. Doch die Erklärung, weshalb sie so sind, wie sie
sind, und welche "Beweise" der gleichen Sätze vielleicht nicht so
gut oder gar falsch wären, hören Sie nur in der Vorlesung.
Obwohl im Gegensatz zur Schule Anwesenheit in der Vorlesung nicht
formal Pflicht ist, rate ich Ihnen gerade wegen dieses den Stoff
ergänzenden – eben nicht nur "vorlesenden" – Charakters der
Vorlesung dringend dazu,
– keine Vorlesung zu versäumen und zu versuchen,
möglichst alles "in real time" bereits beim Zuhören zu verstehen;
– mit der Nacharbeit des Stoffes immer auf dem
Laufenden zu sein: Sie erleichtern sich dadurch das Verstehen der
nächsten Vorlesung ungemein.
Zu einer idealen Nacharbeit gehört, den behandelten Stoff im
Detail durchzuarbeiten und so zu verstehen, dass Sie am nächsten
Vorlesungstag darüber eine Prüfung ablegen könnten.
Ernstgemeinte Warnung, aus
gegebenem Anlass:
Obige Hinweise klingen vielleicht plausibel – doch zeigt die
Erfahrung, dass meist etwa 90% der Hörer einer Anfängervorlesung
diese Warnung nicht hinreichend ernst nehmen. Dies ist verständlich
– die meisten von Ihnen waren in der Schule Überflieger in
Mathematik und mussten vermutlich nie etwas zuhause dafür tun.
Insbesondere, als im Unterricht nicht nur Stoff einmalig erklärt,
sondern danach ausführlich geübt wurde. Das ist jetzt ganz anders:
grundsätzlich wird alles nur einmal gesagt – und danach als gewusst
angenommen. Dieser Übergang vom Hören zum Wissen passiert nicht von
selbst, Sie müssen ihn zuhause leisten. Faustregel: veranschlagen
Sie für die Nacharbeitung jeder Vorlesung mindestens einen ganzen
Nachmittag.
Wenn Sie dies nicht hinreichend ernstnehmen und dann irgendwann
merken, dass Sie den Stoff früherer Vorlesungen nicht hinreichend
beherrschen, um wirklich darauf aufbauen zu können, kann es bereits
zu spät sein: das Anfängerstudium der Mathematik ist zu dicht, als
dass viel Zeit bliebe zum Nachholen, während ständig neuer Stoff
nachgereicht wird. Und je weniger Sie verstehen, umso ineffizienter
wird Ihr Studium: wenn Sie in der Vorlesung nichts verstehen, ist
nicht nur die dort verbrachte Zeit vergeudet, sondern auch die dort
einmalig kommunizierten Inhalte (s.o.) sind unwiderbringlich
verloren. Es ist nicht selten, dass nur etwa 10% der LA-Hörer die in
den ersten Semesterferien im Winter übliche freiwillige Probeklausur
`bestehen'. Dann folgt, wenn Sie das Jahr noch retten wollen, eine
sehr anstrengende Ferienzeit, sicher ohne Skifahren...
Übungen:
Zum Lernen von Mathematik gehört das Selbermachen, und dies
geschieht anhand sogenannter Übungsaufgaben. Diese werden zuhause
gelöst, wöchentlich eingereicht, und in speziellen Gruppen unter
Anleitung besprochen. Auch die Abschlussklausur im Sommer 2017 wird
überwiegend aus solchen Aufgaben bestehen. Es ist also unerlässlich,
dass Sie an den Übungen aktiv teilnehmen – wobei `aktiv' auch
bedeutet, dass Sie die Aufgaben selbst lösen, nicht von anderen
abschreiben. Zusammenarbeit mit Kommilitonen ist andererseits
willkommen: sie hilft, Isolation zu vermeiden, und sie kann helfen,
Verständnisschwierigkeiten gemeinsam zu überwinden. Nur machen Sie
sich nichts vor: wenn `ihre Arbeitsgruppe' eine Aufgabe richtig
gelöst hat, heißt dies noch nicht, dass Sie selbst es auch konnten.
Spätestens in der Klausur werden Sie alleine sein – gestalten Sie
daher die Zusammenarbeit bewusst und sinnvoll.
Zum Schluss noch eine ganz spezifische Warnung. So wichtig die
Übungsaufgaben sind: darunter darf nicht die Nachbereitung der
Vorlesung leiden. Gerade wenn Sie es aus der Schule gewohnt sind,
immer `alles richtig' zu haben, fällt es Ihnen vielleicht schwer,
sich einzugestehen, dass Sie eine Aufgabe nicht herausbekommen. Wenn
Sie sich dann daran verbeißen und den Stoff nicht wie oben
geschildert nacharbeiten, geraten Sie in eine Abwärtsspirale: je
weniger Sie verstehen, umso mehr Zeit erfordern künftige Aufgaben,
und umso mehr Zeit wird Ihnen für künftiges Nacharbeiten fehlen.
Souveräne Beherrschung des jeweils aktuellen Stoffs ist das
sine-qua-non des Studierens von Mathematik: mit ihr steht und fällt
Ihr Studienerfolg, und Ihre Freude am Studium!
Literatur:
Die Vorlesung folgt dem Buch "Lineare Algebra" von Siegfried Bosch,
4.Auflage, Springer 2008. Bei der Darbietung des Stoffs werde ich
davon ausgehen, dass jeder Hörer ein eigenes Exemplar dieses Buchs
hat, in das er auch hineinschreiben kann. Kaufen Sie sich ruhig die
neueste Auflage – nur mein Skript (s.u.) baut halt auf der 4.Auflage
auf.
Tipp: die einführenden Seiten zu jedem Kapitel sind am leichtesten
verständlich, wenn man sie im Anschluss an das Kapitel liest, nicht
vorneweg. Machen Sie sich keine Sorgen, wenn Sie diese einführenden
Abschnitte vor Durcharbeiten des Kapitels selbst noch nicht
verstehen; sie sind aber als einordnender Überblick sehr
empfehlenswert.
Zusätzlich werde ich ein Skript zur Vorlesung in Stine hinterlegen.
Es wird mindestens die dort gezeigten Folien enthalten,
typischerweise aber mehr.
Prüfungen:
Die Prüfungen zur LA werden in Form einer Klausur abgehalten, die
voraussichtlich in der zweiten Hälfte der Semesterferien im Sommer
2017 stattfinden wird. Sollten wir den Prüfungsstoff bereits
deutlich vor Semesterende geschafft haben, kann die Prüfung
vorverlegt werden auf die letzte Woche des Sommersemesters 2017. Ob
Sie zur Prüfung zugelassen werden, kann von Ihren Leistungen während
der Vorlesungszeit abhängen, insbesondere von Ihrer Erfolgsquote
beim Lösen der Übungsaufgaben; mehr dazu unten.
Vorbehaltlich noch folgender Ankündigungen wird der Prüfungsstoff
genau aus den in Stine abgelegten Materialien bestehen, sowie meinen
mündlichen Ausführungen dazu aus den Vorlesungen: meinem Skript
(überwiegend nach dem Bosch-Buch), sowie gelegentlich einzelnen in
Stine abgelegten Zusatzseiten.
Über das Skript hinausgehende Teile des Bosch-Buchs können hilfreich
sein zum Verständnis, sind jedoch als solche zunächst kein
Prüfungsstoff.
Prüfungszulassung durch Teilnahme
an den Übungen:
Zugelassen zur LA-Prüfung im Sommer 2017 wird, wer mindestens 50%
der erreichbaren Punkte aus den Übungen erreicht, über beide
Semester zusammen.
Die Punkte werden vergeben für schriftliche Lösungen von
Übungsaufgaben. Jede Aufgabe ist gekennzeichnet mit der durch ihre
Lösung erreichbaren Punktzahl. Die pro Aufgabenblatt insgesamt
erreichbare Punktzahl wird in etwa konstant bleiben über die beiden
Semester, kann jedoch hier und da etwas fluktuieren.
Lösungen sind grundsätzlich durch ihren mündlichen Vortrag auf
Anforderung der Übungsgruppenleiter in der Übungsgruppe zu
verifizieren. Eine Bewertung dieses Vortrags durch die
Übungsgruppenleiter kann in die vergebene Punktzahl eingehen. Für
das Vortragen von Lösungen können auch Zusatzpunkte vergeben werden,
die als erreichte Punkte zählen, nicht jedoch als erreichbare
Punkte.
Zusammenarbeit beim Finden der Lösungen ist erlaubt und ermutigt,
doch müssen alle Lösungen von den Abgebenden einzeln und selbst
verfasst und ggf vorgetragen werden.
Zum Sommersemester werden wir die Bewertung der
Übungsaufgabenlösungen wie folgt umstellen.
- Aufgaben, deren schriftliche Lösungen eingehend korrigiert
werden, sind auf dem Aufgabenzettel wie bisher durch *
gekennzeichnet.
- Jede Abgabe sei zusammengeheftet und bestehe aus dem
Aufgabenblatt als Deckblatt und schriftlichen Lösungen darunter.
Bei den Aufgaben, die keinen * tragen, dienen die schriftlichen
Lösungen nur den Abgebenden selbst als Hilfe beim möglichen
Vortragen in der Übungsstunde; diese Lösungen werden nicht
korrigiert. Sie dürfen somit ohne Punktverlust beliebig
fragmentarisch sein oder auch ganz fehlen.
- Punkte werden für die Aufgaben ohne * wie folgt vergeben. Auf
dem Deckblatt kreuzt jeder Abgebende deutlich diejenigen
Aufgaben an (* oder nicht-*), für die er Punkte haben möchte.
Für die *-Aufgaben werden Punkte je nach schriftlicher Lösung
vergeben wie bisher. Für die Aufgaben ohne Stern bekommt jeder,
der sie ankreuzt, die volle Punktzahl. Kreuzen Sie aber nur
Aufgaben an, die Sie so ernsthaft bearbeitet haben, dass Sie
eine Lösung oder einen fehlgeschlagenen ernsthaften
Lösungsversuch vorzutragen bereit sind.
- Zum Vorrechnen bestimmt der Übungsgruppenleiter aufgrund
dieser Kreuze jemanden, der die Aufgabe vorrechnen soll. (Dazu
bekommt er seinen bereits abgegebenen Zettel kurzfristig in die
Hand.) Wenn Sie also ein Kreuz gemacht haben bei einer Aufgabe,
so müssen Sie damit rechnen, dass Sie zum Vorrechnen Ihrer
Lösung aufgerufen werden. Wer ein Kreuz gemacht hat, aufgerufen
wird, und dann keine Lösung oder keinen ernsthaften
Lösungsversuch vortragen kann, den er selbst gedanklich
durchdrungen und verstanden hat, erhält negative Punkte nach
Maßgabe der Übungsgruppenleiter oder des Veranstalters der
Übungen.
- Das Maß an negativen Punkten soll sicherstellen, dass sich
Schummeln nicht lohnt: wer im Extremfall gar keine Aufgaben löst
aber alle ankreuzt, soll in der Summe keinen positiven Saldo
erwirtschaften. (Beispiel: Die Gruppe umfasse 20 Teilnehmer, und
jede Aufgabe sei 3 Punkte wert. Jeder Teilnehmer rechnet also
erwartungsmäßig jede zwanzigste Aufgabe vor und kassiert für
diese 20 Aufgaben, wenn er immer alle Kreuze setzt, zunächst 60
Punkte. Für eine komplette Fehlleistung beim Vorrechnen müssen
dann mindestens 60 negative Punkte vergeben werden, damit sich
diese Lotterie nicht lohnt. In der Praxis würden wir eher 100
negative Punkte vergeben, um Täuschungsversuche nicht zu
ermutigen.
- Wann also sollten Sie ein Kreuz setzen? Wenn Sie eine Lösung
selbst erarbeitet haben, auf jeden Fall. Wenn Sie eine Lösung
gemeinschaftlich erarbeitet und dann selbst gedanklich so
durchdrungen haben, dass Sie sie selbst wirklich verstehen, dann
auch. Wenn Sie eine Lösung ernsthaft versucht aber es nicht
geschafft haben, dann setzen Sie dann ein Kreuz, wenn Sie Ihren
Fehlversuch klar beschreiben können und darlegen, wo Sie
steckengeblieben sind. Sie müssen also zumindest erklären
können, was zu zeigen war, wie Sie es versucht haben, und wo am
Ende Ihres Versuchs das Problem lag.
- Wann sollten Sie KEIN Kreuz setzen? Wenn Sie die Lösung
abgeschrieben aber nicht verstanden haben. Oder wenn Sie über
die Aufgabe gar nicht nachgedacht sondern nur geraten haben.